Spannungsfeld zwischen Kultur und Bevölkerungszuwachs

Wissenschaftlich belastbare Prognosen sagen voraus, dass im Jahr 2050 ca. 80 % der Menschen in Städten leben werden. Folglich werden menschliche Siedlungsstrukturen einem enormen Wandel ausgesetzt sein. Bereits heute sind Strömungen von ländlichen Gebieten in Richtung der deutschen Großstädte sichtbar.

Thüringen – das beschauliche „Grüne Herz“ in der Mitte Deutschlands. Bei diesem Bundesland kommen einem in der Regel wohl zuerst die unterschiedlichen Landschaften in den Sinn: Auf der einen Seite der Thüringer Wald, der Harz und das Thüringer Schiefergebirge als landesprägende Höhenzüge. Anderseits zeigen sich durch Auen und dem fruchtbaren Thüringer Becken auch ganz andere Naturreize. Diesen unberührten Landschaften stehen gravierende Altlasten, entstanden durch den Uran- und Kaliabbau sowie durch den Strukturwandel entstandene Industriebrachen gegenüber.

So unterschiedlich die Landschaften, so auch die innerthüringischen Verhältnisse: Einerseits bilden sechs der größten Thüringer Gemeinden eine „Städtekette“, die einen stabilen bis steigenden Bevölkerungsstand aufweist. Daneben gibt es aber auch eine Vielzahl kleinerer Städte und Dörfer, die mit dem Problem Schrumpfung zu kämpfen haben. Damit einher gehen eine geringe Bevölkerungsdichte, eine überalterte Gesellschaft sowie geringe Löhne. Kulturell verfügt der Binnenstaat gleich über vier Stätten mit dem Titel „UNESCO-Welterbe“: Das klassische Weimar, das Bauhaus Weimar, die Wartburg bei Eisenach und den Hainich Nationalpark. Zugleich sind der Weimarer Zwiebelmarkt und die Erfurter Domstufenfestspiele Ereignisse von überregionalem Ruf und Rang.

In diesem Spannungsfeld zwischen Kultur und Bevölkerungszuwachs, Fortzügen, Überalterung und Strukturwandel liegen die Fachhochschule Erfurt mit dem Studiengang Stadt- und Raumplanung und die Bauhaus-Universität Weimar mit dem Studiengang Urbanistik. Beide Studiengänge beschäftigen sich mit der Stadt und dem Raum in allen Facetten, was besonders im Bezug auf Thüringen interessant ist. So liegt es an den zukünftigen Planerinnen und Planern, die Ziele der Landesentwicklung, wie das Angleichen der Lebensverhältnisse und die Beseitigung der Defizite des ländlichen und peripheren Raumes umzusetzen.

Metropolen wie Berlin, Hamburg und München sucht man in Thüringen vergeblich, doch werden sie auch von jungen Menschen aus Thüringen als attraktive Lebensstandorte wahrgenommen. Wie Thüringen den Konkurrenzkampf um gut ausgebildete BürgerInnen mit diesen Großstädten bestehen kann, ist nicht nur eine Frage der räumlichen Struktur, sondern auch der Qualitäten, wie Arbeitsplätze, Nahversorgung und Bildung, aber auch Kultur, Infrastruktur und ÖPNV, die Siedlungsräume bieten. Der Fachdiskurs findet also in einem dynamischen Spannungsfeld zwischen räumlichem Strukturwandel, einer über die reine Daseinsvorsorge hinausgehenden Stadtpolitik, sowie einer intensiven Konkurrenzsituation und einer weiter ansteigenden (marktüblichen) Verknappung am Wohnungsmarkt in Ballungszentren statt.